Der Weltreisende Willy Schwiegershausen hält einen Vortrag in Unna. © Hellweger Anzeiger und Bote

Anno 1907 - Auf dem Rade um die Welt

Im Jahr 1907 berichtete Willy Schwiegershausen in einem Lichtbildervortrag im Saal der Restauration Schmitz in Unna von seiner fünfjährigen Weltreise mit dem Fahrrad. Die Fahrt führte ihn durch alle fünf Kontinente.

Der Eintrittspreis lag zwischen 0,30 Pfennigen und einer Mark im Vorverkauf, was heutzutage etwa 8 bis 25 Euro entspräche. Die Restauration Schmitz befand sich damals an der Massener Straße 32 und beherbergt heute das Foyer und das Kinorama.

Es gibt Zweifel an der Authentizität von Schwiegershausens Weltreise. Die Werbepostkarten, die er während seiner Vorträge verkaufte, zeigen Collagen von Bildern aus zeitgenössischen völkerkundlichen Büchern. Es wird diskutiert, ob er vielleicht ein zweiter Karl May war. Es ist jedoch belegt, dass Schwiegershausen und sein Mitreisender Gustav Kögel Karl May und seine erste Frau während ihrer Orientreise im Juni 1900 in Beirut trafen. Fünf Jahre später trafen sie sich erneut in der Villa "Shatterhand", wie das Radebeuler Tageblatt berichtet.

Es gibt einen längeren Zeitungsartikel der NEW YORK TIMES aus dem Jahr 1904, der einige Grundinformationen über die Weltumrundung enthält. Ein Verleger versprach ihm 23.000 Mark, wenn er innerhalb von fünf Jahren eine vorgegebene Route über alle Erdteile mit dem Fahrrad absolvierte. Neben Siegelstempeln der besuchten Orte sollte er ein Reisetagebuch sowie mindestens 1000 Fotos für Publikationszwecke liefern.

Der offizielle Start von Kögel und Schwiegershausen soll am 10. Juni 1899 in Paris stattgefunden haben. Von Beirut aus fuhr Schwiegershausen allein nach Ägypten, dann weiter nach Bagdad und Teheran. Durch das damalige Persien gelangte er nach Indien. Viele Menschen in den arabischen Wüsten hatten zuvor noch nie ein Fahrrad gesehen und nannten es "Shaitan arabaci" - "Teufelspferd", wie die NEW YORK TIMES berichtete.

Während einer Wüstendurchquerung im Iran wurde sein Begleiter von Beduinen erschossen. Die Wahrhaftigkeit dieser Geschichte wird bezweifelt, da keine genaueren oder widersprüchliche Angaben zu den Umständen gemacht wurden. Der ASHBURTON GUARDIAN aus Neuseeland berichtete, dass Schwiegershausens Kamerad von Kurden ermordet worden sei.

Von Sri Lanka aus reiste er mit dem Schiff nach Südafrika. Nach einer kurzen Tour durch die englische Kapkolonie setzte er seine Reise nach Australien fort. Während der Durchquerung des Kontinents erkrankte er schwer und folgte einer Telegrafenleitung. Als er nicht mehr weiter konnte, schnitt er den Draht durch und wurde von Reparaturtrupps gerettet. In Australien empfingen ihn in Adelaide 5000 Menschen, darunter 200 Radfahrer. Von Newcastle aus kam er dann mit einem Schiff nach Peru. Aufgrund der Höhenluft und der Wetterbedingungen war das Radfahren dort kaum möglich. Von Mexiko aus durchquerte er Nordamerika von West nach Ost. Mit der Jahreswende 1903/04 reiste er dann mit dem Schiff zurück nach Deutschland.

Es wird berichtet, dass Schwiegershausen vier Jahre und elf Monate unterwegs war. Dabei zerschliss er vier verschiedene Fahrräder, 26 Reifen und vier Fotokameras. Er machte über 2000 Fotos und füllte acht Bücher mit Stempeln und Zertifikaten seiner Reiseorte.

Nach seiner Rückkehr in Deutschland hielt Willy Schwiegershausen in den folgenden Jahren Vorträge über seine Reisen, auch in Unna. Was aus ihm geworden ist, bleibt unbekannt. In den Adressbüchern von Leipzig ist er nicht verzeichnet, und es existieren keine selbstgemachten Bilder oder Bücher über seine Weltreise.

Downloads

Postkarte der Restauration Wilhelm Schmitz

Copyright: Sammlung Wülfing

3492x2253 px, (JPG, 2 MB)

Werbepostkarte Willy Schwiegershausen

Copyright: Sammlung Wülfing

2292x3440 px, (JPG, 3 MB)

Mit dem Rade um die Welt

Copyright: Hellweger Anzeiger und Bote

2571x2130 px, (JPG, 1 MB)

Vorberichterstattung zum Vortrag Schwiegershausen

Copyright: Hellweger Anzeiger und Bote

585x972 px, (JPG, 274 KB)

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