Die Hertingerstraße wird für den Radverkehr freigegeben

Fahrraddemo auf der Hertinger Straße © Werner Wülfing

Anno 2011 - Hertingerstraße wird für den Radverkehr in Gegenrichtung freigegeben

Unter dem Motto: Wir kom­men uns freund­lich ent­ge­gen" demonstriert der ADFC für die Frei­ga­be der Ein­bahn­stra­ßen in Unna.

Radfah­rer sind um­we­geemp­find­lich, denn die Ener­gie für die Fort­be­we­gung kommt aus den Bein­mus­keln und nicht aus dem Tank. Ein­bahn­stra­ßen sind für Au­to­fah­rer läs­tig - für Velo­freun­de sind sie schmerz­lich.

Eine Ein­bahn­stra­ße wird im­mer dann ein­ge­rich­tet, wenn eine Stra­ße für eine Be­geg­nung von zwei Kraft­fahr­zeu­gen zu schmal ist. In vie­len deut­schen In­nen­städ­ten exis­tie­ren wah­re Ein­bahn­stra­ßen­la­by­rin­the. Dies liegt an der mit­tel­al­ter­li­chen Mo­bi­li­täts­struk­tur, als vor­nehm­lich Fuss­gän­ger, Pfer­de und Kut­schen sich be­geg­ne­ten. Fahr­rä­der sind schmal, ­lan­gsam und wendig und können ­diesen I­rrgärt­en ­schnell entkommen. Auch in der Stadt Unna gab es im his­to­ri­schen Kern vie­le die­ser Irr­we­ge.

Unna wird fahrradfreundlich

An­fang der 90er Jah­re je­doch öff­ne­te der da­ma­li­ge Stadt­di­rek­tor Dun­ker et­li­che Ein­bahn­stra­ßen in Unnas Zentrum gegen Widerstände aus der Po­li­zei, Ver­wal­tung und Po­li­tik. Der Grund für die­se um­strit­te­ne Maß­nah­me lag in der Be­wer­bung für die Auf­nah­me Un­nas in die Ar­beits­ge­mein­schaft der f­ahrradfreund­lichen ­Städte ­und­ Gemeinden in N­RW ­(AGFS). Im Jah­re 1993 wur­de die AGFS von 13 Kom­mu­nen ge­grün­det. Unna war da­bei!

Da­nach herrsch­te lan­ge Zeit Still­stand. Erst im Herbst des Jah­res 2006 kam durch ei­nen An­trag der da­ma­li­gen Grün-Al­ter­na­ti­ven-Lis­te (GAL) auf Frei­ga­be der Her­tin­ger­stra­ße zwi­schen Fäss­chen und Meisterhaus Be­we­gung in die Sa­che. Der Aus­schuss für Feu­er­schutz, Si­cher­heit und Ord­nung (FSO) lehn­te je­doch mit ei­ner brei­ten Mehr­heit von Ver­wal­tung, SPD und CDU die­sen An­trag ab. Die Stra­ße sei zu eng, zu un­über­sicht­lich und zu stark be­fah­ren und da­her sei der Be­geg­nungs­ver­kehr ge­fähr­lich. Wit­zi­ge Anek­do­te: Der da­ma­li­ge CDU-Mann Klaus Göld­ner gab wäh­rend der Dis­kus­si­on zu, den ab­kür­zen­den Weg selbst schon mit sei­nem Fahr­rad ge­fah­ren zu sein.

Politscher Antrag geht nach hinten los

Am 4.11.2006 dreh­te die CDU den Spieß um und for­der­te eine ge­ne­rel­le Über­prü­fung al­ler 13 Ein­bahn­stra­ßen in­ner­halb des Ver­kehrs­rin­ges, auch der be­reits vor Jah­ren frei­ge­ge­be­nen. Mit die­sem An­trag kon­ter­te die CDU-Frak­ti­on die Ein­las­sung von Gud­run Bür­haus (GAL), dass die ver­meint­li­chen Ar­gu­men­te für die Nicht­öff­nung auch für die Ein­bahn­stra­ßen zu­trä­fen, die be­reits frei­ge­ge­ben sei­en und der jah­re­lan­ge Test­lauf ohne Un­fäl­le er­folg­reich ge­we­sen sei. „Das Test­ziel ist über­er­füllt!“ be­ton­te Bür­haus. Ins glei­che Horn stieß nun auch der Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der SPD, Mi­cha­el Hof­fmann, in­dem er sag­te, dass sich die bis­he­ri­ge Ein­bahn­stra­ßen­re­ge­lung ver­nünf­tig sei und sich be­währt habe. Der CDU-An­trag ging nach hin­ten los. Die Ver­wal­tung be­stä­tig­te die bis­he­ri­gen Frei­ga­ben und schlug zu­sätz­lich vor, die Ein­bahn­stra­ßen Burg­stra­ße, Klei­ne Burg­stra­ße, Lün­ing­stra­ße und den West­ring für den ge­gen­läu­fi­gen Fahr­rad­ver­kehr frei­zu­ge­ben, nicht je­doch die Her­tin­gerstra­ße. Ge­gen die­se Ver­wal­tungs­vor­la­ge reg­te sich auf Sei­ten der CDU und des ADFC Wi­der­stand - al­ler­dings in unter­schied­li­cher Rich­tung.

Fahrraddemonstrationen mit unterschiedlichen Zielen

­Durch Selbst­ver­su­che grif­fen ADFC und CDU die Ver­wal­tungs­mei­nung an. Am 3. März 2007 star­ten gut 12 Ak­ti­ve des ADFC ei­nen Test­fahrt in Ge­gen­rich­tung durch die Her­tin­ger­stra­ße. Das Fa­zit: „Die Her­tin­ger­stra­ße ist für Rad­fah­rer un­ge­fähr­lich und leicht zu befah­ren! Zu ei­nem gänz­lich an­de­ren Er­geb­nis kam die CDU-Frak­ti­on bei ih­rer Fahrt durchs Burg­vier­tel. Die Un­na­er Pres­se, die in die­sem Zu­sam­men­hang von „le­ga­lem Falschfah­ren“ und „Son­der­rech­te für Fahr­rad­fah­rer“ sprach, wur­de nun selbst ak­tiv. In ei­nem Ar­ti­kel wur­den Au­to­fah­rer in­ter­viewt und zu ih­ren Er­fah­run­gen mit geis­ter­ra­deln­den Rad­fah­rern in der In­nenstadt be­fragt. Die Quint­es­sens: Die Au­to­fah­rer zeig­ten sich den Geis­ter­fah­rern ge­gen­über auf­ge­schlos­sen. In ei­nem Kom­men­tar stell­te Se­bas­ti­an Smul­ka, Re­dak­teur vom HA fest, dass Re­geln klar er­kenn­bar sein müs­sen und eine ein­heit­li­che Re­ge­lung Klar­heit schaf­fen kann.

Radfahrer frei auf der Hertinger Straße

Im FSO fand sich nun eine Mehr­heit für die Frei­ga­be al­ler Ein­bahn­stra­ßen in der Un­na­er In­nenstadt mit Aus­nah­me der Her­tin­ger­stra­ße, da zu die­ser Zeit ein Baum­aß­nah­me auf dem ehe­ma­li­gen Deh­ne-Ge­län­de ge­plant wur­de, die zu er­war­ten­den Bau­stel­len­fahr­zeu­ge wür­den eine Ge­fahr dar­stel­len. Nach der Fer­tig­stel­lung der Baum­aß­nah­me ge­schah jedoch nichts. Erst ein An­trag des ADFC im Jah­re 2011 führte dazu, dass nun auch die Her­tin­ger­stra­ße frei­ge­ge­ben wur­de. Selbst Rats­herr Göld­ner sprach sich nun für die Frei­ga­be aus: „Un­ter al­len Ein­bahn­stra­ßen Un­nas sei die ge­ra­de und gut ein­seh­ba­re Her­tin­ger­stra­ße nicht die schwie­rigs­te zum Falsch­ra­deln.“

Heute sind nur noch zwei Ein­bahn­stra­ßen au­ßer­halb der In­nenstadt nicht für den Rad­ver­kehr frei­ge­ge­ben, ein klei­nes Stück Bis­marck­stra­ße in Mas­sen und der Ver­kehrs­ring um Un­nas In­nenstadt.

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Gudrun Bürhaus erkämpfte Radfahrer frei

Copyright: Werner Wülfing

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Ehemaliger Stadtdirektor Klaus Dunker

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