Anno 1888 - Ein Uhrmacher verkauft erstmalig Fahrräder in Unna
Die ersten Händler, die in Unna Fahrräder angeboten haben, waren Uhrmacher in Unna und Königsborn.
Das Fahrrad erreicht Unna
Auf eine Anfrage des Oberpräsidenten von Westfalen in Münster antwortete Unnas Bürgermeister Adolf Eichholz am 19.8.1887: „Hier wird das Radfahren nicht betrieben. Der Erlasz einer bezüglichen Polizei-Verordnung ist daher vorläufig kein Bedürfniß für Unna“.
Ein Jahr zuvor am 9.8.1886 hatte er sich schon einmal ausführlicher zu diesem Thema geäußert. „Der Verkehr mit Velozipeden in dem hiesigen Stadtbezirk ist ein sehr geringer und beschränkt sich zur Zeit auf die die Stadt hin und wieder passierenden Velozipedfahrer aus den benachbarten Städten wie namentlich Dortmund pp. Erlasz einer den fragl. Verkehr regelnden Polizeiverordnung ist daher für den hiesigen Bezirk nicht als dringendes Bedürfniß zu erachten, zumal die Velozipedfahrer beim Passieren der hiesigen Stadt erfahrungsmäßig sehr selten durchfahren sondern fast regelmäßig vor der Stadt absteigen und das Veloziped neben sich durch die Stadt führen.“
Otto von Roetel verkauft Fahrräder und Nähmaschinen
Die Aussagen des Bürgermeisters Eichholz hatten nur noch eine kurze Zeit Gültigkeit. Erstmalig im August 1888 bot der Uhrmacher Otto von Roetel, der 1887 sein Geschäft von der Wasserstraße in der Bahnhofstraße 15 (Schlockermann'sches Haus) verlegte, im Hellweger Anzeiger und Boten Fahrräder zum Verkauf an und benannte die Produzenten seines umfangreichen Angebots: „Coventry Maschinistes Co., Singer & Co., Starley Brothers, Oxford Cycles, Quadrant Tricycles Comp., New Rapid“. Namentlich nicht genannt die „ersten Firmen Deutschlands“, mit dieser Umschreibung war wohl auch Dissel & Proll aus Dortmund gemeint. Die damaligen Inhaber, Schmidt und Anger, suchten im gleichen Jahr mit Anzeigen nach Vertretern für ihr neues Sicherheitsrad.
Von Roetel verwendete in seiner Werbeannonce fürs Zweirad gleich zwei Bezeichnungen, „Fahrrad“ und „Velociped“ und setzt dabei den älteren Begriff in Klammern. Der Wechsel in der Bezeichnung für Zweiräder kam in etwa zeitgleich mit dem Wechsel vom Hochrad zum Niederrad. Die neue Bauart der Zweiräder war aber nicht ausschlaggebend für den neuen Begriff. Bereits 1885 haben die deutschen Radfahrer-Vereine, die sich ein Jahr zuvor in Leipzig zum Deutschen Radfahrer-Bund (DRB) zusammengeschlossen hatten, auf die Verwendung des Namens „Fahrrad“ geeinigt. Im gleichen Jahr war es zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins (ADS) gekommen, dessen Zielsetzung die Reinigung der deutschen Sprache von Fremdwörtern war. Otto Sarrazin, Großonkel des heute bekannten Thilo Sarrazin und ab 1900 erster Vorsitzender, schrieb ein Verdeutschungs-Wörterbuch, das 1886 erschien. In diesem wird statt des französischen „Velociped“ und des englischen „Bicycle“ der heute gebräuchliche Begriff „Fahrrad“ verwendet. Statt „Bicyclereiten“ sprach man nun vom „Fahrrad fahren“.
Zum Ausleihen bot Roetel seinen Kunden ein gebrauchtes Sicherheits-Zwei und auch ein Dreirad an. Er warb auch mit Fahrunterricht. Zum Weihnachtsgeschäft 1888 und 1890 bewarb Roetel Bestellungen von Kinderfahrrädern.
Neben Fahrrädern und Nähmaschinen verkaufte Roetel auch optische Geräte wie z.B. Lupen, Brillen, Fernrohre aber auch Barometer, Thermometer und Waagen. Im Jahr 1905 wird Roetel ein letztes Mal im Hellweger Anzeiger und Boten als Erfinder eines neuen mit einer Fangvorrichtung versehenen Förderkorbes erwähnt, wofür er ein Deutsches Reichspatent erhalten habe.