
Anno 1936 - Die Mayweg-Frischauf Werke
Hugo Mayweg, Unternehmer aus Holzwickede, übernimmt die Fahrradwerke Frischauf in Offenbach.
Am 6. Februar 1936 übernahm der Ingenieur Hugo Mayweg die Fahrradwerke Frischauf in Offenbach am Main und führte das Unternehmen unter dem Namen „Mayweg-Werk Frischauf“ weiter. Zuvor war Mayweg Mitinhaber der Firma Mayweg & Wiederholt in Holzwickede, die sich auf die Metallverarbeitung spezialisierte. Nach einem Rechtsstreit trennte sich Mayweg von seinem Geschäftspartner und wandte sich neuen unternehmerischen Herausforderungen zu.
Ein Patent (DRP Nr. 591727), das Mayweg für ein innovatives Verfahren zur Herstellung von Rohren aus rundgebogenen Metallbändern hielt, erwies sich als technologischer Vorteil – insbesondere für die Fertigung von stabilen und leichten Fahrradrahmen. Auch wenn unklar ist, ob dieses Verfahren in Offenbach serienmäßig angewendet wurde, fand es in Werbematerialien und Markenschildern der späten 1930er Jahre klare visuelle Darstellung.
Unter Maywegs Leitung wurde das Sortiment erweitert: Neben der traditionsreichen Marke Frischauf kamen neue Fahrradmarken wie Wanderfalke, Frio-Flott, Frio-Sport und Frio-Extra auf den Markt. Eine erhaltene Preisliste aus dem Jahr 1936 dokumentiert die Produktvielfalt und das ausgebaute Vertriebsnetz der neu aufgestellten Fahrradfabrik.
Frischauf – Eine Erfolgsgeschichte aus der Arbeiterbewegung
Die Ursprünge der Fahrradmarke Frischauf reichen zurück ins Jahr 1912, als der Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität (ARB) die Fabrik in Offenbach am Main gründete. Organisiert als Genossenschaft, diente das Unternehmen dem Zweck, den inzwischen auf rund 300.000 Mitglieder angewachsenen Verband mit hochwertigen und erschwinglichen Damen- und Herrenfahrrädern zu versorgen.
Frischauf entwickelte sich rasch zu einem bedeutenden Fertigungs- und Handelsbetrieb. Um die große Nachfrage bundesweit zu bedienen, wurden in vielen Städten Filialen eröffnet. Das Unternehmen verband wirtschaftlichen Erfolg mit sozialem Anspruch und stand für die Werte der Arbeiterbewegung: Solidarität, Fairness und Qualität.
Zerschlagung durch das NS-Regime: Enteignung und Gewalt
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 fand die Erfolgsgeschichte der Fahrradwerke Frischauf ein tragisches Ende. Wegen ihrer Nähe zur sozialdemokratischen Weltanschauung wurde der ARB verboten und das genossenschaftliche Eigentum beschlagnahmt.
Der damalige Vorsitzende, Heinrich Niemann, wurde von Mitgliedern der SA in seinem Büro ermordet. Das Betriebsgelände wurde gewaltsam übernommen, regimekritische Mitarbeiter deportierte man in Konzentrationslager. Die ursprüngliche, auf Gemeineigentum basierende Organisation wurde in private Hände überführt. 1936 kam es zur offiziellen Übernahme durch Hugo Mayweg und zur Umbenennung des Unternehmens.
1938 erfolgte schließlich die Umfirmierung in REX-Maschinenbaugesellschaft mbH, ein Unternehmen, das im Zweiten Weltkrieg rund 600 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter für die Rüstungsproduktion einsetzte. Luftangriffe der Alliierten hinterließen schwere Zerstörungen an den Werkshallen, was zum Zusammenbruch der Produktion führte.
Nachkriegszeit: Keine Rückgabe, kaum Entschädigung
Nach Kriegsende wurden die Werke nicht an den im April 1949 neu gegründeten Radfahrerverband Solidarität zurückgegeben. Die neue Bundesrepublik Deutschland leistete nur eine geringe Entschädigung für das ehemals genossenschaftliche Vermögen. Die unternehmerische Aufbauarbeit des ARB und die gewaltsame Enteignung durch das NS-Regime blieben somit größtenteils ungesühnt.
Die Geschichte der Fahrradwerke Frischauf steht exemplarisch für ein Stück deutscher Industrie- und Sozialgeschichte im 20. Jahrhundert: vom solidarischen Genossenschaftsmodell der Weimarer Republik über die gewaltsame Gleichschaltung im Nationalsozialismus bis hin zur Nachkriegsgesellschaft, in der moralische Reparationen oft ausblieben. Die Übernahme durch Hugo Mayweg markiert dabei eine Zäsur – unternehmerischer Neuanfang und Teil einer tragischen Kontinuität zugleich.