Anno 1906 - Unnaer Frauen fahren Fahrrad
Radfahren war zu damaliger Zeit weitgehend eine männliche Domaine. Mit dem Aufkommen des Niederrades begeisterten sich immer mehr Frauen für dieses Verkehrsmittel.
Die Vorstände in Radfahrer-Vereinen in Unna waren soweit bisher bekannt alle männlich. Sie kamen aus einem gut situierten bürgerlichen Milieu. Es waren viele Kaufleute und Handwerker vertreten. In Dortmund gab es einen Männer-Radfahrer-Verein, der Frauen die Mitgliedschaft verweigerte. Bundesweit gab es Initiativen, Frauen aus dem Deutschen Radfahrer-Bund auszuschließen, da Radfahren ein „männlicher Sport“ sei. Diese Initiativen fanden jedoch keine Mehrheit. Schon im Jahr 1896 schrieb die US-Amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony: "Das Fahrrad hat mehr für die Emanzipation der Frauen getan als irgendetwas anderes auf der Welt."
Schon der erste Unnaer Fahrradhändler, Otto von Roetel, warb in seiner Annonce aus dem Jahr 1888 mit Damen- und Mädchenfahrräder.
Walter Staby bot in seinem Katalog von 1898 unterschiedliche Roverkönig-Modelle an. Vier Modelle für Männer und zwei Varianten für Damen. Unter den drei angebotenen Tandems, war eins „für die Dame und den Herrn“ gebaut, wobei die Dame am Lenker saß. Auch Kinderräder waren im Katalog zu finden, ein Knaben-Zweirad und ein Mädchen-Zweirad. Viele Fahrradwerbeplakate damaliger Zeit zeigten selbstbewußte Frauen. Auch ein Roverkönig-Werbeplakat von Walter Staby folgt diesem Zeitgeist.
Ein erstes Bild radfahrender Frauen in Unna zeigt eine Postkarte aus dem Jahr 1906. Zu sehen sind Mädchen mit Fahrrädern vor der Städtischen höheren Mädchenschule. Das Gebäude an der heutigen Gerhart-Hauptmann-Straße 29 wurde 1897 erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier die Katholische Katharinenschule untergebracht. Heute beherbergt das Gebäude die Werkstatt Unna.
Spekuliert werden darf, wer die einzige männliche Person auf dieser Postkarte ist. Nachweislich war Heinrich Staby als Unnaer Stadtverordneter von 1907 bis 1912 im Kuratorium der Städtischen höheren Mädchenschule.