Schöne Bescherung für Radfahrende in Unna
Das Jahr 2024 startete für die Radfahrenden und Fußgängerinnen und Fußgänger in Unna zunächst hervorragend. In einem sehr konstruktiven Prozess wurde der Masterplan Mobilität vom Unnaer Rat beschlossen.
Papiermücke statt Zeitenwende
Schnell wurde die anfängliche Euphorie gestoppt, als kurz nach dem Beschluss merkwürdige Dinge in Unna passierten.
In Unna-Massen wurde plötzlich ein durchgehender Radweg aufgetrennt und auf den Gehweg verlagert, damit einmal die Woche ein LKW-Transporter bequem entladen kann. Dort wo früher mal der Radweg war – trotz riesigem Firmengelände daneben. Ein Antrag des ADFC, diese Maßnahme wieder zurückzunehmen, wurde daraufhin abgelehnt, denn „dort laufen ja sowieso nicht so viele Fußgänger her“. Die Verschwenkung ist ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze des Masterplans Mobilität.
Radfahren als lästige Pflichtaufgabe
In der Baustellenübersicht auf der Webseite der Stadt Unna steht weiterhin, dass die zwei – natürlich – gleichzeitig gesperrten Fahrradverbindungen unter der A1 hindurch zwischen Unna und Massen bis zum 10. Januar bzw. zum 5. Mai 2025 gesperrt sein. Das ist die mittlerweile dritte Fristverlängerung seit der Sperrung vor zwei Jahren, was bereits genug Anlass zur Verwunderung geben könnte. Noch schlimmer macht es aber die Sache, dass der Träger, die Autobahn GmbH, bereits öffentlich in der Zeitung verkündet hat, dass die Baustellen definitiv nicht vor Mitte des Jahres 2025 geöffnet werden und dies auch mit der Stadt abgesprochen sei [2]. Immer neue leere Versprechen auf eine baldige Öffnung der beiden viel sicheren Radwege lösen sich regelmäßig in Luft auf.
Radverbot nachts für weniger Radverkehr tagsüber?
Das merkwürdige Treiben fand seinen Höhepunkt dann im Vorpreschen des Ordnungsamts in der Anordnung eines Verbots zur Befahrung der Innenstadt in den Abend- und Nachtstunden. Diese Maßnahme sei geboten, da sich in den letzten drei Jahren zwei Unfälle mit Leichtverletzten ergeben haben und man sich durch vereinfachte Regeln eine Verbesserung für die Zeiten tagsüber verspricht. Für den ADFC wollen wir noch einmal völlig klar und unmissverständlich sagen: Das Fahren in der Fußgängerzone in den Tagzeiten ist unzulässig und das Verbot richtig. Fußgängerinnen und Fußgänger sollen hier eine Schutzzone haben. Beim besten Willen können wir aber nicht nachvollziehen, warum ein Radfahrverbot in der Nacht notwendig ist. Vermehrte Kontrollen – tagsüber - sind hier die bessere Wahl.
Der Innenstadtring als angepriesene Alternative ist leider nicht mehr als die gleiche buckelige, streckenweise unbeleuchtete Piste wie früher. Jetzt aber gespickt mit ein paar Piktogrammen. Dem Ordnungsamt reicht das offenbar um eine Alternative zur Fußgängerzone zu sehen und schnell zum Verbot zu schreiten. Die Reparatur der Oberflächen, die Beleuchtung und die Änderung der Vorfahrtsregelungen kommen dann wohl später, oder?
Wann wird der Kreishauskreisel für den KFZ-Verkehr gesperrt?
Auch an anderer Stelle tat sich etwas, nur nichts Gutes: Am Kreishauskreisel wurden innerhalb der letzten 10 Jahren 74 Unfälle erfasst, davon waren 47 Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Es wurden 49 Personen verletzt und eine Person getötet. An 26 Verkehrsunfällen waren Radfahrende beteiligt, davon haben 24 Radfahrende den Unfall nicht selbstverschuldet [3]. Würde man mit der gleichen Entschlossenheit zum Handeln vorgehen, wie man es in der Fußgängerzone nun beobachtet, wäre eine Sperrung des Kreishauskreisels für KFZ-Fahrzeuge wohl eine zumutbare Maßnahme. Statt einer Verbesserung der Beleuchtungssituation – wie es die Unfallkommission zwischenzeitlich vorschlug – wurde aber wieder einmal nur den Radfahrenden etwas weggenommen: Mit einer Ampel an der Viktoriastraße die Vorfahrt an einem Kreisel – wieder eine kreative Sonderlösung – aber auch die gegenläufige Befahrbarkeit für das Rad wurde aufgehoben. Der ADFC hat auch hier Vorschläge gemacht, indem man z.B. den Abbieger in die Fahrradstraße Platanenallee abbindet. Wir haben davon seit Jahren nichts mehr gehört.
Zu viel Autoverkehr am Afferder Weg, zu gefährlich – Da kann man nichts machen.
Auch an anderer Stelle schwindet die Hoffnung auf ein Weihnachtswunder: Am Afferder Weg weiß man nicht weiter und so wird erstmal nur das weitergeplant, was sowieso unproblematisch war. Die Strecke zwischen Kornstraße und Friedrich-Ebert-Straße bleibt weiterhin ohne Lösung. Alle bisherigen Vorschläge wurden abgeschmettert, mit dem immer gleichen Argument: Zu viele Autos, das ist nicht sicher genug für Radfahrende. Dann lieber erstmal nichts machen und abwarten – Wieder vergehen Jahre in denen Schülerinnen und Schüler nicht selbst zur Schule fahren können, weil die Wege schlicht zu gefährlich sind. Verständlicherweise werden sie dann mit dem Auto gebracht. Woher kommt eigentlich der ganze Verkehr in Unna?
Für den Afferder Weg liegt eine Lösung in weiter Ferne und auch hier wundert man sich, dass für solche Themen keine Energie aufkommen mag, um eine mutige, sinnvolle Lösung zu erarbeiten. Wir wollen aber nicht nur kritisieren, sondern auch hier Lösungen anbieten: Eine Einbahnstraße mit einem sehr breiten beidseitig befahrbaren Radweg auf der freiwerdenden zweiten Fahrbahn. Dieser kann dann sogar von den Polizei- und Rettungskräften im Falle eines Staus genutzt werden. Mit dem Rad kann man schnell ausweichen und Platz machen. Warum wurde diese Möglichkeit noch nicht geprüft?
Die nächste Maßnahme steht schon in den Startlöchern: Abschleppen von Fahrrädern in der Innenstadt
Immer wieder versperren nach Aussage der Fachverwaltung im Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, achtlos abgestellte Fahrräder die Wege in der Fußgängerzone. Mitunter stehen sie sogar auf dem taktilen Leitsystem, das immerhin in der Massener Straße und Hertinger Straße zeitweilen eingebaut wurde.
Natürlich und unter keinen Umständen ist zu rechtfertigen, dass man mobilitätseingeschränkte Menschen in ihrer Fortbewegung einschränkt. Sei es durch im Weg stehende Fahrräder, parkende Autos oder achtlos abgestellte Angebotskörbe von Gewerbetreibenden. Hier müssen wir an einem Strang ziehen und als ADFC wollen wir uns daran beteiligen, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein zu erhöhen, damit Menschen freie Bahn haben. Dass die Stadt nun aber plant, falsch abgestellte Fahrräder zu fotografieren, zu dokumentieren und im Zweifel aufbrechen zu lassen und
unter Verschluss zu bringen, lässt den ADFC wieder einmal fragen, woher in diesem Falle die Energie zum Entschlossenen Handeln herkommt. Die Energie, die man an anderer Stelle für kreative Lösungen benötigen würde, wird hier in der aufwendigen Dokumentation und Organisation verbraucht. Ganz besonders wundert sich der ADFC, warum diese Energie nur so stark bei den Radfahrenden frei wird und nicht etwa bei den Wassertonnen, die anlässlich des Weihnachtsmarktes seit Wochen auf dem taktilen Leitsystem in der Hertinger Straße stehen [4]. Hier sieht man offenbar keinen dringenden Anlass zum entschlossenen Handeln.
Diese Art der Priorisierung lässt den ADFC verwundert auf die Rad- und Gehwege schauen, die immer wieder achtlos zugeparkt werden – Nach Aussage des Ordnungsamtes fehlt auch hier die Kapazität, dies flächendeckend zu unterbinden. Hier wünschen wir uns deutlich mehr Energie, damit wir Radfahrende und auch Fußgängerinnen und Fußgänger sicher ans Ziel gelangen. Dass dafür aktuell keine Zeit ist, mag nur noch die wenigsten verwundern.
Appell: Lasst uns die Vorteile nutzen und uns nicht gegenseitig ausspielen
Den Rad- und Fußverkehr zu fördern, hat viele Vorteile, denn er hilft allen: Den Menschen, die mit dem Rad fahren WOLLEN, aber auch den Menschen, die mit dem Auto fahren MÜSSEN. Was langsam aber kaum noch möglich ist, weil die Straßen Unnas vom KFZ-Verkehr erdrückt werden. Radfahrende benötigen wenig Platz auf den engen Straßen – Je mehr Menschen also mit dem Rad fahren, desto besser kommen diejenigen mit dem Auto voran, bei denen es nicht anders geht – natürlich sehen wir auch diese Perspektive im ADFC.
Und nicht zuletzt helfen freiere Straßen den Polizei- und Rettungskräften. Sie profitieren davon, wenn weniger Staus entstehen. Und in ferner Zukunft profitieren sie vielleicht sogar von einer Fahrradinfrastruktur die als zusätzlicher Rettungsweg dient. Länder wie die Niederlande dienen hier als positives Beispiel.
Alle Menschen, die mit dem Auto oder dem Rad unterwegs sind, sind auch immer Fußgängerinnen und Fußgänger. Daher stehen wir für ein Miteinander, in der wir uns gegenseitig Raum zum Existieren eingestehen – Ohne Aggression und mit Rücksicht auf Alle. Dabei wünschen wir uns aber auch, dass man nicht nur eine bestimmte Art von Problemen angeht, sondern alle!
Der ADFC wünscht frohe Weihnachten!
Tanja Bork und Carsten Hellmann